Call for Participation
Tausende von Kaugummi-großen Mini-Computern, die mit Sensoren ausgerüstet sind, werden irgendwo im Gelände verteilt. Nach ihrer Aktivierung bilden sie ein sich selbst organisierendes Netzwerk und liefern Daten, zum Beispiel über ein bevorstehendes Erdbeben.
Der Trend zu drahtlosen Kommunikationsschnittstellen erfasst immer mehr elektronische Geräte in allen Lebensbereichen. Längst geht die Forschung weg von herkömmlichen Netzwerken mit Basisstation und verschiedenen mobilen Endgeräten, die sternförmig miteinander Daten austauschen. Im Blickpunkt liegen Netzwerke, die völlig unstrukturiert sein können und trotz kleiner Antennen-Reichweite untereinander (über mehrere Hopser) kommunizieren können.
Solche Systeme werden je nach Standpunkt und Anwendung Sensor- oder Ad-hoc-Netzwerke genannt. Sie sind seit einigen Jahren im Brennpunkt des Interesses der Netzwerk-Forschungsgemeinde. In jüngster Zeit finden sich aber auch vermehrt wissenschaftliche Artikel von Theoretikern, sei es aus dem Bereich der Algorithmik, der Verteilten Systeme, der Graphentheorie oder der Computer-Geometrie. Wir möchten dieses aufkeimende Interesse der Theoretiker/Algorithmiker unterstützen und fördern, da wir glauben, dass dadurch ein tieferes Verständnis für selbst organisierende Netze möglich wird.
Ziel des Seminars ist es, die für die Algorithmik relevanten Aspekte des Gebiets herauszuarbeiten und junge „noch nicht etablierte” Wissenschaftler/innen dafür zu begeistern. Der wissenschaftliche Nachwuchs lernt sich kennen und kann erste Anknüpfungspunkte zu gemeinsamer Forschung erarbeiten.
Ablauf
Die Teilnehmer/innen bearbeiten in Vorbereitung auf das Seminar ausgewählte Themen aus dem algorithmischen Bereich zu Sensor- und Ad-hoc-Netzwerken. Sie erhalten dazu (englischsprachige) Originalarbeiten, die als Ausgangspunkt für eine umfassende Behandlung des Themas dienen sollen. Während des Seminars werden diese Themen auf deutsch vorgetragen und diskutiert. Die Ausarbeitungen werden allerdings in englisch geschrieben und anschließend vereinheitlicht, begutachtet und zu einem Seminarband zusammengefasst, der - bei ausreichender Qualität - als Buch veröffentlicht wird. Da es bisher noch keine guten Übersichtswerke oder Lehrbücher zu den algorithmischen Aspekten von Sensornetzen gibt, soll dieser Band auch von anderen als Einstieg und Referenz verwendet werden können.
Die Teilnehmer/innen sollten sich auf eine Gesamtdauer des Projekts von ca. einem Jahr einstellen.
Themen
Die Teilnehmer/innen sollen anhand ausgewählter Einstiegsliteratur Themen aufbereiten, während des eigentlichen Seminars vorstellen und miteinander diskutieren. Wir möchten uns auf die algorithmisch reizvollsten Aspekte konzentrieren. Uns interessieren insbesondere:
MAC-Layer: Die Organisation eines gemeinsamen Medienzugriffs (MAC) ist eines der wichtigsten Themen im der Sensor-/Ad-hoc-Netzwerk-Forschung. Bei Sensornetzen interessiert vor allem der Zusammenhang zwischen Energieeffizienz und Reaktionsgeschwindigkeit, bei Ad-hoc-Netzwerken das Thema Dynamik/Mobilität und Fairness vs. Durchsatz.
Sicherheit: Stellen Sie sich vor, dass die Lichtsteuerung eines Bürogebäudes durch ein Sensor/Aktor-Netzwerk geregelt wird. Wie kann man (z.B. durch geeignete kryptographische Mechanismen) einen Angriff durch Hacker vermeiden, und gleichzeitig den Ressourcen-Verbrauch unter Kontrolle behalten.
Routing: Gibt es einfache, fehlertolerante, und sparsame Routing-Verfahren die sich für Ad-hoc-Netze eignen? Interessante aktuelle Vorschläge basieren auf geometrischen Verfahren oder auf einer stark abgespeckten Version von klassischen Distance-Vector-Protokollen.
Kooperation: Warum soll ein Ad-hoc-Netzwerk-Knoten für andere Knoten Nachrichten weiterleiten? Aktuelle Vorschläge beruhen auf Heuristiken, die eine Art „Währung” im System etablieren, oder beruhen auf Vorschlägen der Mikro-Ökonomie (Stichworte Mechanism Design, Selfish Systems)
Zeitsynchronisation: Wie können sich die Knoten des Sensor-/Ad-hoc-Netzwerks zeitlich synchronisieren, insbesondere falls die lokalen Uhren Drift aufweisen.
Datensammeln: „Data gathering” ist ein zentraler Service bei Sensornetzwerken. Wie kann man energieeffizient Daten von einer Untermenge der Knoten sammeln? Wie kann man ausnützen, dass die Daten geographisch korreliert sind?
Es wird bewusst eine Fokussierung bzw. Einschränkung auf die algorithmischen Aspekte dieser Themen vorgenommen, da das gesamte Gebiet der Sensor/Aktor-Netzwerke sehr weit und fachlich heterogen ist. Eine breitere Auslegung des Forschungsseminars erscheint daher zu „ambitioniert”.
Termin und Ort
Das Seminar wird als GI-Dagstuhl-Forschungsseminar Nr. 05473 vom 23. (Anreisetag) bis 25. November 2005 im Internationalen Begegnungs- und Forschungszentrum für Informatik, Schloss Dagstuhl, durchgeführt. Schloss Dagstuhl bietet aufgrund seiner hervorragenden Bibliothek und seiner besonderen Atmosphäre eine ideale Umgebung für ein Forschungsseminar.
Teilnahme
Die Ausschreibung richtet sich an Nachwuchswissenschaftler/innen (Diplomand/inn/en, Doktorand/inn/en und Promovierte) der Informatik oder einer verwandten Fachrichtung mit starkem Bezug zur Informatik.
Für die Teilnahme sind keine Vorkenntnisse im Bereich des Seminarthemas notwendig, sondern nur eine sehr gute wissenschaftliche Qualifikation. Die Auswahl der etwa 20 Teilnehmer/innen findet aufgrund der Bewerbungen statt, denen eine kurze Beschreibung des wissenschaftlichen Werdegangs und die Empfehlung durch eine/n Hochschullehrer/in beizulegen ist.
Bewerbungen (auf Wunsch mit Angabe bevorzugter Themen) und Anfragen zu diesem Seminar werden bis zum 1. Mai 2005 an einen der beiden Organisatoren erbeten:
Prof. Dr. Dorothea Wagner |
Prof. Dr. Roger Wattenhofer |
Der Bescheid über die Vergabe der Teilnahmeplätze erfolgt noch im Mai 2005. Die Teilnahmegebühr (Unterkunft und Verpflegung in Dagstuhl) beträgt pauschal 100 Euro.
Über diese Reihe
Die Gesellschaft für Informatik (GI) veranstaltet seit 1997 zusammen mit dem IBFI Schloss Dagstuhl Forschungsseminare zu aktuellen Themen der Informatik, die in Lehrbüchern noch keine geeignete Darstellung gefunden haben. Sie richten sich an Diplomand/inn/en, Doktorand/inn/en und promovierte Nachwuchswissenschaftler/innen, die aktiv neue Entwicklungen in der Informatik kennenlernen wollen. Indem die Teilnehmer/innen vorwiegend nach ihren wissenschaftlichen Fähigkeiten und nicht bevorzugt nach ihrem speziellen Arbeitsgebiet ausgewählt werden, soll eine Verbreitung dieser neuen Entwicklungen an den Universitäten gefördert werden. Die Anzahl der Teilnehmer/innen soll maximal 20 betragen.
Bisher wurden GI-Forschungsseminare zu den Themen
- Netzwerkanalyse (2004, Springer LNCS 3418)
- Game-Theoretic Analyses of the Internet
- Model-based Testing of Reactive Systems
- Validation of Stochastic Systems
- Algorithmen für Speicherhierarchien (2002, Springer LNCS 2625)
- Automaten, Logiken und unendliche Spiele (2001)
- Zeichnen von Graphen (1999, Springer LNCS 2025)
- Effiziente Methoden der geometrischen Modellierung und der wissenschaftlichen Visualisierung (1997, Seminarband bei Teubner 1999)
- Beweisverifikation und Approximationsalgorithmen (1997, Springer LNCS 1367)
veranstaltet.